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tinorathmann

Konferenzankündigung: Kindheit ist politisch

Aktualisiert: 8. Apr. 2021


Ankündigung: Jahrestagung der Gesellschaft für Psychohistorie und politische Psychologie (GPPP)

"Wir untersuchen vorrangig die in der Kindheit wurzelnden und oft unbewussten Hintergründe von aktuellen und historischen Entwicklungen, Mentalitäten, gesellschaftlichen Institutionen, kulturellen Normen und politischen Entscheidungen."


„Hört ihr die Kinder weinen?“ – Unter diesem Buchtitel stellte der amerikanische Psychohistoriker Lloyd deMause als Herausgeber die Forschungsergebnisse zahlreicher Fachwissenschaftler zur Geschichte der Kindheit Anfang der 1970er Jahre der Öffentlichkeit vor. [...] Die Evolution der Eltern-Kind-Beziehungen ist eine unabhängige Quelle des historischen Wandels, das sagt uns diese psychogenetische Geschichtstheorie. Durch den „Engpass“ der Kindheit werden psychische Strukturen von Generation zu Generation weitergegeben. – Und damit sind die Praktiken der Kindererziehung mehr als ein beliebiges kulturelles Merkmal einer Gesellschaft neben anderen.

Die Mitglieder der GPPP vertreten diese „neue“ Psychohistorie seit den 1970er Jahren. Wir untersuchen vorrangig die in der Kindheit wurzelnden und oft unbewussten Hintergründe von aktuellen und historischen Entwicklungen, Mentalitäten, gesellschaftlichen Institutionen, kulturellen Normen und politischen Entscheidungen. Dabei ist es die gemeinsame Grundlinie der Psychohistorie, die Wechselwirkung von Kindheitssozialisation und gesellschaftlichen Inszenierungen, wie sie sich auch in den Gruppenphantasien zeigen, immer zusammen zu sehen:

  1. Psychohistorie untersucht die Geschichte der historischen und aktuellen Kindheiten und berücksichtigt dabei die Erkenntnisse der prä- und perinatalen Forschung als wesentlich mit.

  2. Sie nimmt eine transgenerationale Weitergabe psychischer Strukturen und Traumatisierungen in der frühen Kindheit wie in späteren Lebensabschnitten in den Blick und arbeitet individuelle und gruppenspezifische Formen der Verarbeitung heraus.

  3. Sie sucht und untersucht die historischen Motivationen in Klein- und Großgruppen, ihre auserwählten Traumata und Ruhmestaten, samt der unbewussten irrationalen Dynamiken des „Group-trance thinking“, und sie beleuchtet das öffentliche Ausagieren solcher „Gruppenphantasien“.

  4. Sie erkundet und reflektiert, empirisch gesichert, Möglichkeiten psychosozialer Interventionen im Sinne der Veränderbarkeit scheinbar zwangsläufig-naturgesetzlich erscheinender Abläufe durch psychoanalytische, psychologische und spezifisch psychohistorische Erkenntnisse.

In diesem Sinne interpretiert sie in ihrer 35. Jahrestagung die politische Dimension von Kindheit, weil unser Verhalten als Erwachsene entscheidend durch das, was wir als Kind erlebt haben, beeinflusst ist.

Quelle: Vorwort der Konferenzankündigung. Heinrich Reiß, geschäftsführender Vorsitzender der GPPP

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